VOM SCHMERZ DER ABLEHNUNG
Leider tragen viele von uns die Erfahrung in sich, als Kind nicht wirklich aus tiefstem Herzen angenommen worden zu sein. Die Erfahrung, dem Umfeld eine Last zu sein oder das Gefühl, nie wirklich erkannt worden zu sein. Und nicht selten bleiben diese Gefühle ein Leben lang bestehen.
Wenn Eltern überfordert sind
In den meisten Fällen war das keine Absicht. Die Eltern waren einfach mit sich selbst überfordert, nicht an dem Punkt, sich einem anderen Lebewesen wirklich öffnen zu können - selbst dem eigenen Kind nicht. Und es ist fast immer gut nachvollziehbar, dass die Eltern es eigentlich gut meinten und sich wirklich Mühe gaben.
Verstehen hilft, aber heilt nicht automatisch
Doch das zu verstehen und zu wissen, dass die Eltern einem nicht die Bestätigung, die Liebe und die Nähe geben konnten, die man gebraucht hätte, weil sie nicht imstande dazu waren – und das nicht, weil wir es nicht Wert gewesen wären –, ändert überraschenderweise trotzdem recht wenig daran, dass wir uns ein Leben lang weiter unerwünscht, ungesehen oder weniger Wert fühlen als andere.
Es ist sehr schwer, mit diesen Voraussetzungen einen erfüllenden Platz in der Gesellschaft zu finden. Was sehr schade ist, denn oft hätten gerade Menschen mit solch einem Hintergrund besonders viel beizutragen, da sie durch ihren stillen und ständigen Kampf, ihren Platz am Rande mit viel Wahrnehmung und Reflexion gefüllt haben.
Heilung ist möglich
Gibt es denn Wege, Prägungen von Ablehnung zu lösen – und damit auch das Gefühl, eine Last oder zu viel bzw. zu wenig zu sein? Kann man als erwachsener Mensch ein Gefühl von Zugehörigkeit und Wert finden, wenn man dieses von klein auf nie voll entwickelt hat?
Die Antwort lautet: Ja. Wenn die Bereitschaft da ist, frühere Verletzungen zu berühren und zu verarbeiten, kann sich sehr viel ändern. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man von introvertiert zu extrovertiert wechselt. Aber es bedeutet, dass man ein tiefes Gefühl von Selbstwert findet. Dass man sich geborgen fühlen kann und dass man seinen Platz und Vertrauen findet - in sich selbst und ins Leben als Ganzes.
Denn das Erleben von Ablehnung in den ersten Lebensjahren oder sogar schon im Bauch der Mutter, erschüttert genau jenes tiefe Vertrauen, das wir am Anfang unseres Lebens brauchen: das Vertrauen, dass die Welt uns trägt, dass wir willkommen sind und richtig so, wie wir sind- unser Urvertrauen also.
Was Urvertrauen bedeutet
Urvertrauen ist dieses tiefe, meist unbewusste und uns stetig tragende Gefühl, dass das Leben bedingungslos an unserer Seite ist, uns geborgen hält und wir sicher sind – auch wenn wir es nicht kontrollieren können.
Wenn wir dieses tiefe Vertrauen erleben, können wir uns endlich hingeben und die Kontrolle loslassen. Wir spüren, dass das Leben uns annimmt – dass es für uns und nicht gegen uns ist. Dass wir getragen sind, auch ohne ständig alles festhalten oder uns absichern zu müssen. Und dass das Leben uns führt, selbst durch herausfordernde Zeiten.
Aus diesem Vertrauen heraus wächst auch die Kraft, die eigenen Stärken zu erkennen und sichtbar damit zu werden, wer man wirklich ist. Es wächst die Fähigkeit, sich authentisch nach außen zu zeigen – ob das nun in einer ruhigen, eher introvertierten Art geschieht oder laut und extrovertiert.
Der Weg zurück
Von den Eltern nicht so angenommen worden zu sein, wie wir es gebraucht hätten und das Nichterfüllen unserer eigentlichen Bedürfnisse – hat unser Urvertrauen erschüttert.
Umgekehrt führt der Kontakt und die Verarbeitung der Ablehnung, die wir vielleicht als Kind durchlebt haben, immer auch zur Heilung dieser tiefsten Verletzung in uns. Sie ist der Weg zurück ins Urvertrauen.
Der Mut, tief zu gehen
Diesen Weg zu gehen, verändert alles. In unserer Arbeit erleben wir immer wieder, wie tief das geht. Denn anders als bei oberflächlicheren Ansätzen, die auf der Ebene der Symptome bleiben, hat die Berührung und Verarbeitung der tiefsten Verletzungen in uns Auswirkungen auf jeden Lebensbereich.
Klar, es braucht Mut, so tief zu gehen. Es ist vielleicht die mutigste Sache der Welt – die Bereitschaft aufzubringen, sich den eigenen tiefsten Verletzungen zuzuwenden. Aber zugleich ist es wohl auch die lohnendste. Denn aus unserer Erfahrung verändert nichts das Leben so umfassend wie der Weg zurück ins Urvertrauen.